15.06.2020
Neu bei Elsinor: Arthur Koestler, Mit dem Rücken zur Wand
Arthur Koestler erlebte, unmmttelbar nach der Staatsgründung im Jahr 1948, die ersten Monate Israels als Augenzeuge mit. Er berichtete als Korrespondent verschiedener Tageszeitungen, und veröffentlichte, nachdem er Israel wieder verlassen hatte, seine Reportagen in einem amerikanischen Verlag. Diese Reportagen liegen bei Elsinor nun erstmals in deutscher Sprache vor.
Der antike jüdische Staat war während der römischen Besatzung untergegangen. Nur wenige jüdische Siedlungen blieben in Palästina über die Jahrhunderte hinweg bestehen. Die Juden in der Diaspora gaben aber nie die Idee einer Rückkehr ins Land der Väter auf. Im frühen 20. Jahrhundert wanderten europäische Juden in immer größerer Zahl nach Palästina ein, nur halbherzig unterstützt und später auch massiv behindert von der britischen Mandatsmacht. Angesichts der nationalsozialistischen Judenverfolgungen und der Shoah sah man am Ende keine Alternative mehr zum Au#au eines eigenen souveränen Staates.
Am 14. Mai 1948 endete das Britische Mandat über Palästina, und David Ben Gurion unterzeichnete noch am selben Tag die israelische Unabhängigkeitserklärung. Unmittelbar darauf erklärten die Nachbarstaaten Israel den Krieg. Die Zukunft des jungen Staates schien mehr als ungewiss.
Keine drei Wochen später, am 4. Juni 1948, reiste Arthur Koestler in Israel ein. Er kam als Journalist, akkreditiert u. a. für den Manchester Guardian, den Figaro und die New York Herald Tribune. In zahlreichen Artikeln, die weltweit Beachtung fanden, berichtete der berühmte Journalist, Kriegsreporter und Schriftsteller von den militärischen Auseinandersetzungen, aber auch von den Schwierigkeiten, die mit der Staatsgründung einhergingen, und von der gesellschaftlichen Zerrissenheit des jungen Gemeinwesens. Bei seinen Recherchen konnte er Kontakte von früheren Aufenthalten im Land nutzen und auf zahlreiche persönliche Bekanntschaften zurückgreifen. Koestler blieb bis zum 14. Oktober in Israel und führte in dieser Zeit ausgiebig Tagebuch. Seine Reportagen und Aufzeichnungen bildeten die Grundlage für eine Chronik der ersten Monate des Staates Israel, auf Englisch verfasst und 1949 als Teil einer größeren Arbeit in den USA veröffentlicht. Die Publikation geriet damals rasch in Vergessenheit.
Koestlers wiederentdeckte Chronik ist jedoch ein bemerkenswertes Zeitdokument und ein authentischer Augenzeugenbericht aus den ersten Monaten Israels, der den Blick auf manche Probleme des jüdischen Staates lenkt, die bis heute im Brennpunkt der internationalen Politik liegen. Der Text wurde jetzt erstmals ins Deutsche übersetzt und als eigenständige Publikation vorgelegt.
Arthur Koestler, geboren 1905 in Budapest, gestorben 1983 in London, wuchs in Budapest und Wien auf. Er war Ullstein-Korrespondent in Palästina, Journalist in Paris, Berlin und London, als Berichterstatter im Spanischen Bürgerkrieg wurde er inhaftiert und erwartete seine Hinrichtung. Weltberühmt wurde der Roman „Sonnenfinsternis“, Koestlers literarische Auseinandersetzung mit Sowjet-Kommunismus und Totalitarismus. Unmittelbar nach der Staatsgründung im Jahr 1948 reiste er nach Israel; als einer der ersten und prominentesten internationalen Korrespondenten wurde er dort Augenzeuge der schwierigen und entscheidenden Monate in der Geschichte des jüdischen Staates.
Arthur Koestler, erst deutsch- und seit 1941 englischsprachiger Schriftsteller und Journalist, war als Student Zionist, später Mitglied der Kommunistischen Partei und nach den Moskauer Prozessen deren entschiedener Gegner. 1943 warnt er öffentlich vor der Ermordung der europäischen Juden.
Das Geleitwort
Dr. Gil Yaron, in Haifa geboren, in Düsseldorf aufgewachsen. Medizinstudium in den USA und Jerusalem. Gil Yaron arbeitete als Korrespondent für große deutsche und internationale Zeitungen. Von 2014 bis 2019 war er Nahost-Korrespondent der „Welt“. Heute leitet er das Landesbüro von Nordrhein-Westfalen in Tel Aviv.